Pudelkönigin der Nacht

Pudelkönigin der Nacht

Im Zentrum der Arbeit von Gert Kiermeyer erblicken wir eine Bühne. Sie ist gefüllt mit vier einzelnen Pudelfiguren, einem gelben Pudelpaar, vier schwarzen Pudeln auf Rädern und einer bunten Reihe kleinerer aufgefädelter Pudelfiguren. Vergegenwärtigt man sich den Titel der Arbeit, lässt sich rechts im herabhängenden Geflecht einer Zimmerblumenampel die hier unaufhaltsam gebärende (Pudel-) Königin der Nacht erkennen. Links überwacht der schwarze Monostatos die Szene von einem roten Wasserball aus. Am vorderen Rand der Bühne besingt Tamino das Bildnis der Pamina. Mozarts Oper Die Zauberflöte, hier inszeniert mit Pudelfiguren aus der Sammlung Nachweis für Besiedlung. Die Bühne ist eingefasst vom Proszenium, einer Patchwork-Fläche aus Tischdecken, Netzen, Schlipsen, Tragetaschen mit Produktwerbung und einem Klammerbeutelkleidchen. Als Theaterfotograf, der beständig mit Bühnenbildern konfrontiert ist, hat Gert Kiermeyer die Frage nach dem formalen Umgang mit der Sammlung rasch für sich geklärt. Kiermeyer wird selbst eine Bühne bauen, und er will auf ihr inszenieren. Auf der Suche nach möglichen Charakteren fand sich in der Sammlung neben einzelnen Puppen und kleinen Teddys eine große Anzahl von Pudeln verschiedener Größen. Verblüfft und fasziniert von den vielen Pudelfiguren und deren Formenvielfalt begann Kiermeyer zu recherchieren. Warum stellt der Pudel in der Sammlung jede andere Spezies in den Schatten? In einem Interview mit Dr. Axel Rudolph, Zuchtrichterobmann im VDP (Verband der Pudelfreunde Deutschland e.V.) und letzter Obmann des Zuchtausschusses für Pudel in der DDR1, werden auch Daten zur Entwicklung der Pudelpopulation in der DDR genannt. Rudolph gibt an, dass die Population mit Beginn der 1970er Jahre in beiden deutschen Staaten beständig wuchs, ihr Höchststand in der DDR jedoch bereits 1980 erreicht wurde. Es mag ein Zufall gewesen sein, dass Rudolph zu jener Zeit selbst in Halle-Neustadt lebte. Viel interessanter ist jedoch der Umstand, dass die Pudelpopulation analog zur Dynamik des Baus von Halle-Neustadt (1964 bis Anfang der 1980er Jahre) stieg und fiel. Aus diesem Zusammenhang heraus ließe sich die Häufigkeit der Pudelfigur in der Sammlung Halle-Neustädter Alltagskultur begründen und der Pudel als ein Accessoire der Moderne lesen. Gert Kiermeyer hat den Pudel zur weiteren Betrachtung und Untersuchung auf die Bühne gebracht, und dort steht er im goldenen Licht: der ‚Plastekönig der Tiere'.

Installation, DE 2014