The Multi-Cultural Recycler

Amy Alexander (US )
The Multi-Cultural Recycler

In der ersten Version des Recyclers (1996) wurden die Webkameras nach dem Zufallsprinzip aus einer Liste von Möglichkeiten ausgewählt. Die Livebilder beziehungsweise die letzten Bilder wurden heruntergeladen, bearbeitet und nebeneinandergestellt, um so ein neues Bild zu erzeugen, das dem Besucher (satirisch) als eine neue „Web Art"-Arbeit vorgestellt wurde. Der Besucher konnte dann auf der Seite mit dem Link „Recycling Bin" die recycleten Ausgangsbilder des neu erschaffenen Kunstwerks sehen. Weiter wurde auf der Seite „Recycling Bin" dazu eingeladen, die ursprünglichen Websites der Bilder zu besuchen und ihren eigentlichen Kontext zu entdecken. Da die ursprüngliche Serverkonfiguration des Recyclers relativ langsame Computer umfaßte, war es bezeichnend für den frühen Recyclingvorgang, daß er eine Minute oder länger dauerte. Um den Besucher vom Aufgeben abzuhalten, zeigte ich ihm, während er wartete einen Text: „Kulturelles Recycling dauert etwa eine Minute. Bitte haben Sie Geduld; es gab wahrscheinlich noch keinen Absturz." Die Bemerkung, daß kulturelles Recycling „etwa eine Minute dauert", war ein scherzhafter Verweis auf die kurze Zeitspanne eines real stattfindenen kulturellen Recyclings. (Eine ähnliche Randbemerkung gibt es auf der Site noch immer; obwohl der Recycler jetzt auf einem schnellen Server läuft, ist man den Servern der Webkameras und der Geschwindigkeit des Internetverkehrs ausgeliefert.)

Im Frühjahr 1997 habe ich dem Recycler zwei neue Sektionen hinzugefügt. Die erste davon, „Machen Sie Ihren eigenen kulturellen Kompost", ermöglicht dem Besucher die Auswahl aus einer Liste mit Webkameras, die er recyclen kann. Die zweite war die Multi-Cultural Recycler Galerie. Verschiedene Besucher hatten schon eine Weile den Vorschlag gemacht, eine Galerie einzurichten, aber zuerst verwirrte mich dieser Vorschlag eher – warum würde jemand diese albernen Bilder in eine Galerie hängen wollen? Die Antwort könnte wohl ähnlich ausfallen wie die zur Frage: „Warum schaut sich jemand eine Kaffekanne in Cambridge an?" Es scheint doch sehr ansprechend zu sein, einen gemeinsamen Ort zu haben, mit dem man sich verbinden kann, eine Website, auf die überall zugegriffen werden kann (zumindest von Webusern), aber auch real ist (eine Kaffekanne, die von Maxwell Kaffee in einem Fernsehstudio aufgestellt wäre, würde sicher nicht die Ausstrahlung der bescheidenen Kanne in Cambridge erreichen). Im Interesse einer dem Web eigenen weiteren „Demokratisierung des Berühmtseins" habe ich also die Recycler Galerie geschaffen.

In der Galerie können die Besucher ihre recycleten Bilder zusammen mit ihrem Namen und ihrer URL posten. Sobald ein Besucher seine URL schickt, wird dies automatisch zu einem Link, dem andere Besucher folgen können, um etwas über den Verfasser dieser „Web Art" zu erfahren. So wie die Links von der „Recycling Bin" zu den Ausgangsbildern, eröffnen diese Links sich kontinuierlich verändernde Pfade zu den jeweiligen Kulturen – im Web und anderswo –, aus denen die recycleten Bilder zusammengesetzt werden. Die Galerie beinhaltet auch das augenblickliche Erheben eines Besuchers, der selbst Bilder schickt, zu einer Berühmtheit. Daher werden die Bilder dieser „Berühmtheiten" naturgemäß zum Thema des kulturellen Recyclings zukünftiger Besucher.

Die Recycler Galerie beinhaltet nur sechs Bilder: jedes Mal, wenn ein Besucher ein Bild schickt, wird das älteste Bild gelöscht, um das neue unterzubringen. Als ich mit Besuchern des Recyclers gesprochen habe, war ich erstaunt, wie bestürzt viele von ihnen über diesen Mangel an Beständigkeit sind; viele haben mich dann gefragt, ob ich ein Archiv vergangener Bilder der Galerie unterhalte. Auch diesmal war meine erste Reaktion „Warum sollte die irgend jemand behalten wollen?" Ich dachte immer, daß die sich beständig verändernde Natur der Arbeit und die kurzlebige Natur der kreierten Bilder wesentliche Aspekte des Recyclers sind – so wie in der Kultur im allgemeinen ist die Präsenz im Recycler kurzlebig. „Web Art" hat den Vorteil, sich ständig verändern zu können, sich mit der Welt außerhalb der Arbeit in jedem Augenblick zu verbinden – aber bei diesem Vorgang kann die Beständigkeit die Bedeutsamkeit verlieren.

Amy Alexander (US), The Multi-Cultural Recycler, 1996